Wann immer ich das Rezept vom Federweißerbrot lese, denke ich an unseren alten Weinhändler. Ein rüstiger alter Herr, dem man seine achtzig Jahre nicht ansah. Nach etlichen Jahren der Nachbarschaft kannte er uns und unseren Geschmack und winkte uns ins Geschäft, wenn der erste Federweißer im Laden stand. Er wußte, wie sehr der Liebste der ersten Flasche Federweißer entgegen fiebert. Doch irgendwann verkaufte er sein Geschäft, um noch ein wenig seinen Ruhestand zu genießen – wir gönnten ihn ihm von ganzen Herzen. Umso erschütterter waren wir, als wir kurze Zeit später von seinem Tod erfuhren. In meinen Gedanken verweile ich auch heute noch manches Mal bei ihm.
Sein Nachfolger, der junge Weinhändler, hat die Vorlieben des Liebsten aber genauso schnell verstanden, nachdem der Liebste ein, zwei Mal nachfragte, ob denn schon… Und so rief er mir am Dienstagnachmittag zu: “der erste Federweißer ist da”. Kurze Zeit später waren wir im Besitz von drei Flaschen Federweißer – zwei für den Liebsten zum Trinken, eine für mich zum Backen. Denn ich wollte für den Schwarzmarkt in Köln leckere Federweißer-Brote backen.
Das ich den Schwarzmarkt aus dem einen oder anderen Grund fast verpasste und in der letzten Minute doch noch Tauschpartner fand – das ist eine andere Geschichte. Aber ich hätte die Brote auch ohne Tauschobjekte mit Freude an die letzten Schwarzmarkt-Gäste hergeschenkt, denn nichts ist schön, als für begeisterte Foodies Brot zu backen.
Das Brot selbst habe ich ein wenig an Das Urige angelehnt. Mit einer kleinen Menge Pellkartoffelmehl bzw. Kartoffelflocken bleibt es schön saftig, der süße Starter und der Federweißer-Poolish sorgen für Aroma und den entsprechenden Trieb. Erstaunlich fand ich, wie viel der Süße des Federweißen durch die lange, kalte Stockgare verloren gegangen ist. Da haben die Hefe doch einigen Zucker “aufgefuttert”. Am Ende blieb nur das feine Aroma der Trauben mit einer hintergründigen Süße – ausgesprochen fein!
Uriges Federweißerbrot
ergibt 3 Kastenbrote
Federweißer-Poolish
- 100g Mehl Type 550
- 100g Roggenmehl Type 1150
- 200g Federweißer
- 150g Süßer Starter
- 150g Mehl Type 550
- 75g Wasser
Teig
- Süßer Starter
- Federweißer-Poolish
- 550g Mehl Type 1050
- 100g Federweißer
- 300g Wasser
- 40g Kartoffelflocken / Pellkartoffelmehl
- 30g Butter
- 20g Salz
Am Morgen (ca. 7-8 Uhr) deb Federweißer-Poolish ansetzen, dazu die Zutaten miteinander verrühren. Bei 24°C etwa 12 Stunden gehen lassen.
Am frühen Nachmittag den süßen Starter ansetzen und bei 30°C etwa 2-4 Stunden gehen lassen, bis sich das Volumen verdoppelt hat.
Nun die Zutaten für den Teig erst 5 min auf kleiner Stufe kneten, dann bei hoher Geschwindigkeit bis zur vollen Glutenentwicklung kneten (ca. 8 –10 min).
Den Teig über Nacht im Kühlschrank gehen lassen (ca. 16 Stunden).
Den Teig in sechs Portionen von je 300g teilen. 10 min entspannen lassen und zu runden Broten formen. Immer zwei Teigkugeln mit der Saumseite nach oben in gefettete Kastenformen (500g) geben.
Die Brote ca 2-3 Stunden bei 30°C bis zur knappen Gare gehen lassen. Den Ofen in der Zwischenzeit auf 250°C aufheizen.
In den Ofen einschießen und kräftig schwaden. Nach 10 min den Dampf ablassen und die Temperatur auf 220°C zurückdrehen. Bei fallender Temperatur weitere 45 min kräftig ausbacken.
English (UK)
Moin Stefanie, dem Poolish fehlt leider die Hefeangabe :0) Ich schätze so 0,5 g Hefe?
Sonst sehr feines Rezept 👍👍👍
Beste Grüße, Ben
@Ben: Nein, das Rezept funktioniert ganz ohne zusätzliche Hefe. Der Federweißer enthält genügend aktive Hefen, um die Gärung in Schwung zu bekommen. Nicht ganz volle Flaschen kann man auch ruhig ein wenig Schwenken, um an die Hefe im Bodensatz zu kommen. Übrigens mein “altes” Federweißerbrot funktioniert sogar ganz ohne Sauerteig oder kommerzielle Hefe, sondern wird alleine mit Federweißer-Hefe getrieben.
Und da ist er…der AHA-Effekt :0)
Genial!
Hallo,
Ich habe schon ein paar mal die Federweißer-Würzelchen gebacken, die ich sehr lecker finde, vor allem mit ein wenig Schrot für den “Biss”. Der erste Versuch in diesem Jahr misslang jedoch gründlich, weil der Federweißer wohl noch zu jung war. Erstens war er viel zu süß für meine Geschmack (und wenn man einen bestimmten Geschmack erwartet) und zweitens, hatte er keinen Trieb. Der Teig ist quasi nicht gegangen und die Brötchen wurden flache Steinfladen. Unsere Schafe fanden sie dennoch ganz lecker ;-). Mein zweiten Versuch habe ich dann so lange gewartet, bis die Hefen am Flaschenboden deutlich abgelagert waren. Da stimmte dann auch die Süße. Dieses Brot lacht mich demnach sehr an. War der Federweißer noch sehr jung, den du verwendet hast? Und gehen auch gekochte Kartoffeln? Bei uns gibt es immer nur “echtes” Kartoffelpüree…
@Vera: Ja, ganz frisch darf der Federweißer nicht sein, die Hefe muss sich schon vermehrt haben. Ich hatte meinen Federweißer nach dem Kauf noch fünf Tage in der Küche stehen lassen. Und du kannst auch frische Kartoffel verwenden, dann musst du Wasser und Pellkartoffelmehl mit 340g gekochte Kartoffeln ersetzen. Bei uns gibt es zum Essen auch nur das echte Püree, zum Backen hat sich das Pellkartoffelmehl allerdings bewährt, da das Ergebnis reproduzierbarer ist.
Stefanie, wo bekommt man reines Pellkartoffelmehl? ( ohne Zusatzstoffe).
@olesja: Ich nehme dieses Pellkartoffelmehl – sie versenden zwar per dpd, was für mich normalerweise ein Grund ist, dort nicht zu bestellen, aber das Pellkartoffelmehl ist wirklich gut. Ich versuche gerade, meine lokale Mühle zu überreden, es auch ins Programm aufzunehmen, dann erspare ich mir den Ärger mit dpd.
O, Danke. Und Ja dpd ist wahrhaft schlimm, ich hatte schon öfters ärger mit denen..
Bei uns im Supermarkt gibt es verschiedene Kartoffelpüreepulver: einige sind gewürzt, es gibt aber auch eine Variante, da ist außer Kartoffeln nur Salz drin. Das nehm ich ganz gerne zum Backen.
@Ellie: Bevor ich das Pellkartoffelmehl entdeckte, habe ich Bio-Kartoffelpüree-Pulver zum Backen verwendet. Das geht gut – das Pellkartoffelmehl gefällt mir vom Geschmack noch besser.
Hallo Stefanie,
als bekennende Rotweintrinkerin kenne ich mich mit Weißwein nicht wirklich aus. Federweißer ist mir zwar ein Begriff und meine Frage: Muss es wirklich Federweißer sein oder tut es ein anderer Weißwein auch?
Liebe Grüße
Ingrid
@Ingrid: Du brauchst den Federweißen, denn du brauchst eine aktive Gärung (s. mein Antwort auf Bens Kommentar). Alternativ ginge natürlich auch Federroter, dieser würde aber Krumenfarbe und Geschmack beeinflußen.
Hallo Stefanie,
Ich habe eine Frage zum Wasser -Kefir!
Du als Biologin bist bestimmt über die Wirkung des Wasserkefirs für unsere Gesundheit, sowie die Wirkung beim Brotbacken informiert. Ich überlege einen solchen Kefir zu züchten. Ich möchte damit backen und es auch täglich trinken. Wie ist Deine Meinung dazu?
Nina
@Nina: Die gesundheitliche Wirkung von Wasser-Kefir ist genau wie bei Milchkefir, Joghurt und Co. umstritten. Man weiß, dass nicht all zu viele der Milchsäurebakterien die Magenpassage überlebt. Die so genannten “Probiotischen” Joghurtsorten enthalten spezielle Stämme, die das ein wenig besser vertragen. Bei regelmäßiger Einnahme wird aber ein gewisser Teil schon im Darm ankommen. Daher auch die allgemeine Empfehlung, immer die gleichen probiotischen Stämme zu sich zu nehmen. Allerdings muss man sich bei Wasserkefir auch vor Augen führen, das nur ein Teil des Zuckers, den man zusetzt, von den Hefen und Bakterien verstoffwechselt wird. Und darum sollte man auch nicht zuviel Wasserkefir trinken, denn die täglichen 30g Zucker, die man maximal aufnehmen soll, sind schnell erreicht. Auch hier gilt: in Maßen genießen – wie bei eigentlich allem 🙂
Mit Wasserkefir habe ich persönlich noch nicht gebacken – als ich Wasserkefir mein eigen nannte, lebte ich in einer Studentenbude ohne Ofen. Ich würde versuchen, einen Vorteig anzusetzen – ähnlich wie beim Federweißerbrot. Und wenn der gut aufgeht, steht Backabenteuern nichts im Wege 😀
Hallo Stefanie,
Ich möchte mich für die schnelle Antwort bedanken. Dann werde ich mir diesen Aufwand auch ersparen. Hatte auch schon gegen dem vielen Zucker meine Bedenken. Ein schönes Wochenende!!
Nina
@Nina: Ich könnte dir alternativ eine Milchkefirknolle mitbringen, entweder nach Bergneustadt oder zum Kurs. Da wärst du dann auf der “Zuckerfreien” Seite 🙂
@ Nina + Stefanie
Mit Wasserkefir kann man einen Poolish sehr gut ansetzen.
Die darin enthaltenen Hefen reichen völlig aus, um genügend Triebkraft zu entwickeln.
Der Teig blubbert ohne weitere Zutaten schön vor sich hin und riecht fruchtig, frisch.
Stefanie: Der WK verstoffwechslet doch den zugeführten Zucker oder liege ich da falsch?
Nach 2 tägiger Wartezeit schmeckt der WK wie alter Federweißer. Der junge FW schmeckt ja schön süßlich, während der ältere immer herber wird.
@Heike: Danke für den Erfahrungsbericht.
Das mit dem Zucker ist so eine Sache. Nach 48 Stunden ist er nicht aufgebraucht, denn sonst würde die Wasserkefir-Flüssigkeit in der Flasche nicht weitergären. Bei der Gärung entsteht neben Alkohol auch Milchsäure durch die Milchsäure-Bakterien – durch die entstehende Säure wird der “süß”-Geschmack teilweise überdeckt. Wieviel Restzucker in der Flasche ist, ist natürlich auch abhängig von der Menge an eingesetzer Kefirkultur – es ist schwer berechenbar. Verschiedene Quellen (z.B.Laureys & De Vuyst, 2012) geben unterschiedliches an, es ist aber wohl so, dass Saccharose (Haushaltszucker, ein Zweifachzucker aus Glukose und Fruktose) zwar teilweise abgebaut, dafür aber in der ersten 48 Stunden die darin enthaltene Fruktose freigesetzt wird. Da es von vielen Parametern abhängt, wieviel Saccharose, Fruktose und Glukose ein Glas Wasserkefir enthält, wird Diabetikern auch von Wasserkefir-Genuss abgeraten. Um Wasserkefir relativ zuckerfrei zu bekommen, muss er wohl deutlich länger nachgären, was zu einem recht hohen Alkoholgehalt von bis zu 4% und zu einem sehr sauren Geschmack führen würde. In jedem Fall sollte Wasserkefir – wie Säfte und Co.- nur in moderaten Mengen getrunken werden.
@ Stefanie, einschießen würde ich bei 250°.
Die Angabe steht nicht im Rezept.
@Heike: Danke, das ist irgendwie verloren gegangen. Ich habe es ergänzt!
Wie froh war ich, noch ein solches tolles Brot von Dir zu bekommen auf dem letzten SCHWARZMARKT. Hat unsere folgenden drei Frühstücke extrem bereichert – danke nochmals!
Übrigens – es gibt nun endlich eine Website zum SCHWARZMARKT:
http://www.schwarzmarkt.org/
@Joerg: Juchu, entlich eine Website zum verlinken und Werbung machen 😀
Hab das Brot endlich nachbacken können, nachdem ich einen Ersatz für Federweißer gefunden habe. Bei uns in Österreich gibt es den “Sturm”, der anfangs recht süß ist, aber, weil naturbelassen, dann anfängt zu gären. Die Flaschen darf man nie ganz zumachen und nur stehend lagern. Ich hab’s jedenfalls mit einem bereits “leicht stürmischen Sturm” probiert und das Ergebnis hat nicht nur mich und den Liebsten sondern auch unsere großen Kinder zu Begeisterungsstürmen hingerissen. Nachdem es dieses Getränk nur in 1,5 l Gebinden gibt, werde ich die das Federweißer (oder Sturm-Brot) noch mehrmals backen.
Vielen Dank für das unglaublich tolle Rezept!
Ingrid