10. August 2024

Sakadane: Japanischer “Sauerteig” mit Koji

Bei uns in der Küche gärt und fermentiert eigentlich immer irgendetwas. Darum ist es eigentlich erstaunlich, dass es so lange gedauert hat, bis ich in die Welt von Miso, Sojasauce und Sake abgetaucht bin. Und irgendwann stolperte ich dabei über den Begriff Sakadane und war plötzlich wieder bei meinem Lieblingsthema Brot. Aus etwas Biologen-Neugier und Spaß an Experimenten wurde große Faszination für etwas, das in Japan als der “nationale Pilz” bezeichnet wird. Die große Gemeinsamkeit bei all diesen unterschiedlichen Produkten ist eine sehr wichtige Zutat: Koji. Böse Zungen bezeichnen Koji als “verschimmelten Reis”, doch das ist so ähnlich, wie wenn man einen herrlichen Roquefort als “schimmeligen Käse” bezeichnen würde. Im Kern nicht ganz falsch und doch meilenweit daneben. Genau wie bei der Käseherstellung Edelschimmel verwendet werden, um Aroma und Konsistenz zu beeinflussen, kommen auch bei der Herstellung von Koji Edelschimmel zum Einsatz. Der Begriff Koji meint dabei sowohl den Pilz an sich als auch Getreide bzw. Hülsenfrüchte, die mit dem Pilz bewachsen sind. Damit es hier halbwegs übersichtlich bleibt, werde ich darum immer, wenn vom Pilz die Rede ist, den Begriff Koji-Pilz verwenden.

Koji-Pilze produzieren Enzyme

Unter dem Begriff Koji-Pilz versammeln sich verschiedene Pilzarten: Aspergillus oryzae und  Aspergillus sojae (beides wird auf japanisch “kikōji-kin” genannt), Aspergillus luchuensis (japanisch “kurokōji-kin”) und seine weiß-sporige Mutante A. luchuensis mut. kawachii (japanisch: “shirokōji-kin”). Um das ganze noch ein bisschen verwirrender zu machen, gibt es bei den verschiedenen Arten auch noch unterschiedliche Stämme, die für verschiedene Anwendungen selektiert wurden. Ihr könnt euch das wie bei der Züchtung von Hunden vorstellen: Der Urvater aller Hunde ist der Wolf, doch der Mensch hat durch Auslese sowohl den Dackel (klein mit kurzen Beinen und somit optimal um Dachse in ihrem Bau aufzustöbern) als auch irische Wolfshunde (riesig mit langen Beinen zur Jagd von Bären und Wölfen) gezüchtet.  Bei den verschiedenen Koji-Stämmen geht es allerdings weniger um das Aussehen als um die “inneren Werte”, was zum einen die Eigenschaft ist, auf bestimmten Substraten besonders gut zu wachsen. Für Sojasauce benötigt man Stämme, die gut auf Soja und Weizen wachsen, während Sake mit Reis-Miso hergestellt wird und der Koji-Pilz daher gut auf Reis wachsen soll.

Die zweite Eigenschaft, auf die die verschiedenen Stämme selektiert wurden, hat mit Enzymen zu tun.  Wie alle Pilze versorgt sich der Koji-Pilz während seines Wachstums mit Nährstoffen, indem er Verdauungsenzyme ausscheidet. Dabei handelt es sich vor allem um Amylasen und Proteasen. Die Amylasen zersetzen dabei Stärke in kleinere Zuckermoleküle (Maltose, Glukose), die Proteasen hingegen zersetzen Proteine in Aminosäuren. Die Zuckermoleküle und Aminosäuren werden dann von den Pilzen aufgenommen und für ihren Stoffwechsel verwendet. Auch für uns Menschen sind diese Zersetzungsprozesse interessant, denn die freigesetzen Aminosäuren geben Produkten wie Sojasauce und Miso das typische Umami-Aroma, während die entstandenen Zuckermoleküle für eine leichte Süße sorgen und im Fall von Sake als Nahrung für Hefe dient. Koji-Pilzstämme für die Sakeproduktion setzen daher vor allem Amylase frei, um die Hefe mit viel Zucker zu versorgen, während Stämme für Miso- und Sojaproduktion viele Proteasen freisetzen.

Sakadane

Der Legende nach wurde Sakadane von einem ehemaligen Samurai entwickelt, der nach der Auflösung der Kriegerkaste zum Bäcker wurde. Da das europäische Sauerteigbrot nicht den Geschmack der japanischen Bevölkerung traf, entwickelte er auf Basis eines Sake-Starter ein Triebmittel, mit dem er ein mild-schmeckendes Brot backen konnte. Basis des Starters ist gekochter Reis und Koji. Damit die Gärung schneller in Gang kommt, wird dieser Mischung am ersten Tag zusätzlich etwas ungekochter Reis zugesetzt. Die Hefen und Milchsäurebakterien, die auf dem Reis leben, können sich aufgrund des Zuckers, der von den Enzymen des Koji freigesetzt wird, gut vermehren und die Mischung fängt schnell an zu gären. Schon nach wenigen Tagen erhält man so eine triebstarke Flüssigkeit, mit der man einen Vorteig ansetzen kann.

Nach etlichen Experimenten kann ich sagen: Es lohnt sich, hier auf einen Koji-Pilzstamm für die Sake-Herstellung zurückzugreifen. Da Stämme für die Sakeproduktion wenig Proteasen und mehr Amylasen freisetzen, bleibt der Teig stabiler. Nimmt man hingegen einen Stamm für die Miso- oder Sojasoßenproduktion, baut der Teig später deutlich schneller ab, da die Enzyme das Gluten-Netzwerk angreifen. Gleichzeitig sorgen die Enzyme dafür, dass die Brote eine besondere Textur bekommen.

Ansonsten lässt sich der Ansatz, wenn er einmal angesetzt ist, auch mit anderen Getreide füttern. Da ich nicht immer gekochten Reis zur Hand habe, habe ich einen experimentellen Ansatz mit überbrühten Haferflocken und Koji gefüttert und auch dieser Ansatz ist schön mild und triebstark geblieben. Das ist zwar nicht klassisch, aber manchmal ist es ja gut, wenn man eine Alternative in der Hinterhand sind.

Quellen

Koji ansetzen

Zum Verdünnen der Sporen

  • 30g Mehl
  • unverdünnte Koji-Sporen

Koji

  • Wasser
  • 250g weißer Reis
  • 6g verdünnte Koji
  • Gärautomat

Zum Verdünnen der Sporen das Mehl in der Pfanne Rösten, bis es braun geworden ist. Dadurch werden mögliche Fremdsporen abgetötet. Abkühlen lassen und mit den Koji-Sporen vermischen. Die Sporen kühl und dunkel lagern.

Den Reis 12 Stunden in reichlich Wasser einweichen. 4 Stunden in einem Sieb abtropfen lassen. In einem Dampfgarer oder in einem Dämpfaufsatz für den Topf für 30-40 min Dämpfen, bis der Reis aldente ist. Achtung: Kochen ist nicht geeignet weil der Reis dann zu viel Wasser aufnehmen würde.

Eine große Schale oder Tablett mit einem sauberen Küchenhandtuch auslegen. Den gedämpften Reis darauf verteilen.

Den Reis auf 30°C abkühlen lassen. Mit einem Sieb die verdünnten Sporen gleichmässig über den Reis verteilen. Die Ränder des Tuches über den Reis klappen. Die Wasserschale des Gärautomaten mit Wasser füllen und den Gärautomat auf 30°C einstellen.

Nach 24 Stunden sollte der erste weiße Belag zu sehen sein.  Einmal umrühren und die Temperatur überprüfen. Wenn sie über 30°C liegt, kann der Gärautomat auf 25°C gestellt werden. Die Temperatur nun regelmäßig überprüfen. Sie sollte nicht höher als 42°C steigen. Wenn die Temperatur zu stark steigt, kann es helfen, die Schale aus der Gärbox zu nehmen, bis sie abgekühlt ist.

Nach 48 Stunden sollten die Reiskörner von einem flauschigen Belag überzogen sein. Jetzt ist der Koji einsatzbereit.

Im Kühlschrank hält er sich in einem sterilen Glas 1-2 Wochenn, im Gefrierschrank für mehrere Monate , er kann für eine längere Lagerung aber auch getrocknet werden.

Achtung: Gelbliche Stellen sind normal, hier steht der Koji-Pilz kurz vor dem Aussporen. Sollten sich grüne oder blaue Stellen gebildet haben, muss der Ansatz verworfen werden!

Sakadane

Erste Fütterung

  • 10g Vollkornreis
  • 50g Koji
  • 40g gekochter Reis
  • 50g Wasser (30°C)

Zweite Fütterung

    • 30g Flüssigkeit des Sakadane-Ansatz
    • 20g Koji
    • 50g gekochter Reis
    • 20g Wasser

alle folgenden Fütterungen

  • 10g Flüssigkeit des Sakadane-Ansatz
  • 10g Koji
  • 50g gekochter Reis
  • 40g Wasser

Erste Fütterung: Die Zutaten verrühren und für 24 Stunden bei 25-28°C inkubieren. Nun sollten die ersten Bläschen zu erkennen sein. Wenn nicht, den Ansatz einmal durchrühren und für weitere 12-24 Stunden stehen lassen.

Zweite Fütterung:  Den Sakadane-Ansatz durchrühren und die Flüssigkeit in ein frisches Glas abgießen. Es ist auch in Ordnung, wenn einige Reiskörner mit ins Glas gelangen. Die restlichen Zutaten hinzufüge, verrühren und für 24 Stunden bei 25-28°C inkubieren.

Dritte Fütterung: Den Sakadane-Ansatz durchrühren und die Flüssigkeit in ein frisches Glas abgießen. Es ist auch in Ordnung, wenn einige Reiskörner mit ins Glas gelangen. Die restlichen Zutaten hinzufüge, verrühren und für 12-24 Stunden bei 25-28°C inkubieren. Sobald der Ansatz kräftig blubbert, kann erneut gefüttert werden.

Die vierte und fünfte Fütterung nach dem gleichen Schema wie die dritte Fütterung durchführen. Nach der fünften Fütterung ist die Sakadane einsatzbereit.

Um die Triebkraft zu erhalten, wird die Sakadane einmal in der Woche gefüttert und für 12 Stunden bei 28°C stehen gelassen.

Tipp: Meine Koji-Sporen habe ich bei https://www.fermentationculture.eu bestellt (und aus eigener Tasche bezahlt, selbstverständlich!)

5 Gedanken zu Sakadane: Japanischer “Sauerteig” mit Koji

  1. Karin 10. August 2024

    Moin Stefanie,
    hast du damit schon Brote gebacken? Wenn ja, wie war deine Erfahrung und der Geschmack?
    Welche Koji hast du bestellt?
    Die Tempeh ? Das sind die einzigen, die etwas mit Reis stehen haben 🤷🏼‍♀️
    Liebe Grüße aus dem Norden
    Karin

    Antworten
    1. Stefanie 11. August 2024

      @Karin: Am Besten hat es bei mir mit den Sake Koji-Sporen geklappt. Die weißen Koj-Sporen sind auch gut. Der Ansatz bekommt damit feine Zotrusnoten, die ich beim fertigen Brot aber leider nicht mehr schmecken konnte. Hier war die Protease-Aktivität etwas höher, aber noch problematisch. Nicht zufrieden war ich mit dem Gersten Koji-Sporen, die Sakadane, die ich damit anngesetzt habe, hat den Teig deutlich stärker angegriffen. Aber dafür habe ich damit ein Miso angesetzt, dass jetzt schon herrlich duftet. Mit den Sporen für Sojasauce habe ich dann keine Experimente hinsichtlich Sakadane gemacht sondern direkt Sojasauce angesetzt (die schmeckt auch viellversprechend).
      Rezepte für Brot sind in der Pipeline (Shokupan, Melon Pan und ein Übernacht-Brötchen-Rezept, bei dem ich aber noch eine Testrunde brauche, damit aller Parameter wirklich passen). Und im Brotmagazin (und hier im Blog dann irgendwann im Oktober) gibt es noch ein Rezept zu Anpan und ein glutenfreies Schwarzbrot.

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  2. Nic 10. August 2024

    Liebe Stefanie, es ist unglaublich toll was Du das wieder ausfindig gemacht hast und Du mit anderen teilst. Wie gelingt es Dir mit den beiden Krümmelchen, Mann, Kursen, Beruf……?
    Absolute Hochachtung und ganz lieben Dank fürs Teilen, Deine gelingsicheren Rezepte und für mich immer wieder neunen Inspirationen.
    Ich wünsche Dir Liebe, Gesundheit und Kraft für alle Bereiche Deines Lebens
    Nicola

    Antworten
  3. Alice 14. August 2024

    Hallo Stefanie,
    desinfiziert du nach der Koji Herstellung den Gärautomsaten mit Desinfektionsalkohol/Sterilium, um eine Querkontamination von Sauerteigen mit Kojisporen zu vermeiden? Die Gerätschaften und Behälter für den Koji wird auch nur dafür verwendet, oder? Wud reinigst du diese? Im normalen Spül-/Waschgang, mit kochendem Wasser oder auch mit Hygienespüler?
    Viele Grüße,
    Alice

    Antworten
    1. Stefanie 14. August 2024

      @Alice: Da der Koji in der Gärbox nur so lange wächst, bis das Getreide / die Hülsenfrüchte von Mycel durchzogen sind, sind Sporen eigentlich kein Problem. Geerntet wird, solange alles noch weiß (maximal an wenigen Stellen hellgelb = kurz vor dem Aussporen) ist. Gläser und Löffel kommen – wie die Sauerteiggläser auch – bei 70°C in die Spülmaschine, der Gärautomat wird “nur” normal mit Spüli und Waschlappen gereinigt. Tücher kommen in die 60°C-Wäsche (mit “plus Wassertaste” und normalen Waschpulver – da kommt höchstens manchmal Sauerstoffbleiche dazu (s. hier)). Und wenn ich Koji-Sporen auf Substrat siebe, sind in den nächsten 12 Stunden keine Sauerteige offen, darum mache ich das gerne abends 🙂 Mit dem Hygiene-Standard ziehe ich auch schon einige Jahre immer mal wieder Tempeh in der Gärbox ohne das ich bisher Probleme mit Kreuzkontaminationen hatte. Und der Sauerteig bietet ja auch nicht wirklich die Wachstumsbedingungen für Koji-Pilze (zu feucht, zu sauer).

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